Es ist vollbracht. Mit der styriarte 2020 ist Österreichs erstes Festival nach der Corona-Pause ohne Pannen über die Bühne gegangen. Es war ein Grenzgang ins Glück.
Nun haben wir wieder einmal richtig ausgeschlafen, nach 26 Tagen und Nächten voller Abenteuer. „Schönheit finden wir nur am Rande des Scheiterns“, hat Nikolaus Harnoncourt einmal gesagt, bei einer Probe zu Beethovens Fünfter für die styriarte 2007. Adressiert war das an die Bläser, die lieber ein paar Mal mehr kieksen sollten, als nichts zu riskieren.
Es ist ein genialer Satz, geeignet als Lebensmotto der Kunst überhaupt. Dass wir seine umfassende Gültigkeit heuer so intensiv zu spüren bekommen, verdanken wir natürlich dem Virus, das oder der die gesamte Musikwelt an den Rand des Abgrunds verfrachtet hat. Dass wir dort, in der existenziellen Zone, die Schönheit finden könnten, war unsere tiefe Überzeugung, schon um Ostern herum, als styriarte-Intendant Mathis Huber seine ersten Pläne für eine neue, Corona-kompatible Fassung des Festivals entwarf. Die künstlerischen Kerne der einzelnen Programme sollten möglichst erhalten bleiben, so die Devise. Bei Publikumszahlen, Besetzung und Umfang musste natürlich reagiert werden.
Sicherheit für die Gäste
Möglichst unbedenklich sollte der Besuch unserer Veranstaltungen sein, dafür wurde ein akribisches und hochambitioniertes Sicherheitssystem für täglich dreimal 250 Gäste (die maximal erlaubte Zahl seit 1. Juli) eingeführt. Die Rückmeldungen dazu waren positiv bis begeistert.
Dennoch haben längst nicht alle unsere Freund*innen den Weg in die Live-Konzerte gewagt, aus verständlicher Sorge vor einer Ansteckung. Um ihnen dennoch das Erleben der Kunst aus dem Hause styriarte zu ermöglichen, haben wir zwölf Produktionen des heurigen Festivals filmisch aufgezeichnet und als Streams zur Verfügung gestellt.
Streams für daheim

Dabei haben wir ebenso akribisch auf höchste Qualität geachtet wie bei den Live-Ereignissen selbst – und mit den Besten der Besten zusammengearbeitet. Die Tonaufnahmen wurden vom ORF gemacht; die bewegten Bilder hat unser so genanntes STREAM TEAM rund um Roland Renner eingefangen. Es sind wunderbar musikalische, plastische Sendungen entstanden, die den Konzertgästen in der Ferne denkbar realistische und dabei immer auch intime Kunsterlebnisse ins Haus liefern.
Es macht uns glücklich, dass unsere Konzert-Streams jetzt auch durchs prachtvolle Musikuniversum von fidelio schweben. Darunter können Sie gleich mehrere künstlerische Sensationen finden, geboren nicht zuletzt aus den abenteuerlichen Umständen.
Der Bundespräsident in einer Opern-Sprechrolle
Zum Beispiel unsere Eröffnungsproduktion „Die Geschenke der Nacht“, inspiriert aus der gleichnamigen Oper des steirischen Barock-Superstars Johann Joseph Fux, mit dem fantastischen Festivalorchester und Originalklang-Großmeister Alfredo Bernardini. Für das Vorprogramm hat Flora Geißelbrecht binnen Wochenfrist ihre Instant-Kurzoper „Die Musen vom Parnass“ komponiert, unter anderem mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen und Kulturminister Werner Kogler in prominenten Sprechrollen.
Beethovenjahr

Das Beethovenjahr (wobei ja eigentlich jedes Jahr Beethovenjahr ist) haben wir mehr als gebührend begangen, zum einen mit einer unerreicht schönen Version der „Pastorale“ unter unserem langjährigen Pult-Fixstern Andrés Orozco-Estrada. Nicht als Stream verfügbar sind die beiden Beethoven-Klavierabende: Bernd Glemsers surreale Version der „Mondscheinsonate“ und Pierre-Laurent Aimards tief erschütternde, orchestral gedachte Durchdringung der „Hammerklaviersonate“. Hier sehen Sie das Konzert.
Mozartjahr
Weil ja auch jedes Jahr Mozartjahr ist, haben wir unseren „Don Giovanni“ nicht sausen lassen wegen der Corona-bedingten Einschränkungen. Wir haben ihn einfach in eine 60-minütige Giocoso-Fassung gepackt, mit vier grandiosen jungen Stimmen, so blutjung wie Mozarts Prager Ensemble bei der Uraufführung. Sie realisierten immerhin zwölf der unsterblichsten Nummern aus der Oper aller Opern. Am Pult sorgte Michael Hofstetter als Luxus-Einspringer für den von Rückenproblemen geplagten Orozco-Estrada für dermaßen beredte Klangergüsse, dass sowohl Publikum als auch Kritik die Spucke wegblieb.
Schubertjahr

Selbstverständlich ist bei der styriarte auch jedes Jahr ein Schubertjahr – heuer unter anderem in Form zweier Schubertiaden-Abende, deren zweiter ebenfalls im fidelio-Stream nacherlebt werden kann. Daniel Johannsen drang darin zum Kern of the German Lied vor; der Tenor ist zweifellos einer der bedeutendsten Schubertsänger unserer Zeit.
Zeitgenössisches
Und sonst? Glücksmomente sonder Zahl, von Dowland auf Wienerisch mit der unverwechselbar mutigen Agnes Palmisano bis zu druckfrischen Auftragskompositionen, von der Vienna Clarinet Connection und dem Minetti Quartett jeweils grandios aus der Taufe gehoben.
Populäres

Auch dem Populären ist die styriarte längst verfallen, da landeten Eddie Luis und die Gnadenlosen mit „Es wird Nacht, Senorita“ einen ebenso fulminanten Volltreffer wie das für Giora Feidman in die Bresche gesprungene Moritz Weiß Klezmer Trio. Merken Sie sich diesen Namen.
Die Schönste aller Zeiten?

Es gibt nicht wenige Stimmen, die die 36. styriarte zur schönsten aller Zeiten erklärt haben. Die Schönheit am Rande des Scheiterns, wir haben sie gefunden. Sehen und hören Sie selbst.
Hier sehen Sie alle Programme der styriarte 2020 auf fidelio!
Ihr Florestan